Als Nachfolger von Johannes Orth übernahm Otto Lubarsch 1917 den Berliner Lehrstuhl für anatomische Pathologie und die Leitung des Pathologischen Instituts, das einmal
Rudolf Virchow gegründet hatte.
Lubarsch gilt als Vertreter der Konstitutionspathologie, die die Bedeutung der körperlichen Konstitution für Entstehung und Verlauf von Krankheiten betont. Darüber hinaus bemühte er sich um eine zusammenfassende Darstellung von neuen Erkenntnissen auf seinem Fachgebiet. Jahrzehntelang gab er einschlägige Zeitschriften heraus und arbeitete an großen Lehr- und Handbüchern mit. Nach seinem Tod würdigte man ihn daher auch als Vertreter der »enzyklopädischen Richtung« der Pathologie.
Obwohl Lubarsch zu den führenden Köpfen seines Faches gehörte, musste er jahrelang warten, bis er ein Ordinariat erhielt. Erst nach mehreren Stationen als leitender Pathologe an verschiedenen Krankenhäusern wurde er 1913 als ordentlicher Professor nach Kiel berufen. Vier Jahre später folgte der Ruf nach Berlin, wobei die Wahl erst auf Lubarsch fiel, nachdem der Freiburger Pathologe Ludwig Aschoff abgelehnt hatte.
Anders als etwa Walter Rathenau, dem zufolge jeder deutsche Jude in seiner Jugend die Erfahrung machen musste, »als Bürger zweiter Klasse« in die Welt getreten zu sein, brachte Lubarsch seine beruflichen Schwierigkeiten niemals mit seiner jüdischen Herkunft in Zusammenhang. Nach dem Vorbild seines Vaters bemühte er sich, ganz in der deutschen Gesellschaft und Kultur »aufzugehen«: Er trat zum protestantischen Glauben über, war Korpsstudent, heiratete die Tochter eines preußischen Offiziers und gehörte zu den Gründern des Alldeutschen Verbandes, in dem sich seit 1890 völkische und antisemitisch orientierte Nationalisten zusammenfanden.
Die Niederlage des Deutschen Reichs im Ersten Weltkrieg und die Revolution von 1918/19 betrachtete Lubarsch als Katastrophen. Er trat der DNVP bei und gehörte zu den wenigen Hochschullehrern der Weimarer Zeit, die sich offen parteipolitisch als Gegner der Republik engagierten. Den aufkommenden Nationalsozialismus hat Otto Lubarsch bewundert.