www.charite.de »


Rahel Hirsch gehörte zu den ersten Frauen in Deutschland, die in der medizinischen Forschung tätig waren. Der Zugang zur Wissenschaft war Frauen lange versperrt. Und die allmähliche Öffnung von Universitäten und Forschungseinrichtungen war mit zählebigen Benachteiligungen gegenüber männlichen Kollegen verbunden.
Gerade an den medizinischen Fakultäten in Deutschland hatte es massiven Widerstand gegen die Aufnahme von Studentinnen gegeben. Erst ab 1899 – nachdem Frauen in vielen anderen europäischen Ländern an Universitäten studierten – wurde auch in den deutschen Bundesländern die Immatrikulation von Frauen geregelt, besonders spät – erst 1908 – in Preußen.

Das Habilitationsrecht blieb Frauen sogar bis 1920 verwehrt. Mit der Verleihung des Professorentitels an die Klinikerin Rahel Hirsch im Jahr 1913 wurden ihre wissenschaftlichen Leistungen anerkannt. Konkrete Rechte wie die Lehrerlaubnis waren mit der Ehrung aber nicht verknüpft. Der Titel änderte den prekären Status von Rahel Hirsch an der Charité nicht: 16 Jahre lang arbeitete sie ohne Bezahlung – zunächst als Volontärärztin, später als Assistenzärztin an der II. Medizinischen Klinik, schließlich als Leiterin der dort angeschlossenen Poliklinik. Einzig ihr großes Interesse für die medizinische Grundlagenforschung liefert dafür eine verständliche Begründung.

Hirschs Experimente galten vor allem der Erforschung von Stoffwechselprozessen und Stoffwechselerkrankungen. Sie erbrachte den experimentellen Nachweis, dass Stärkekörner unter bestimmten Bedingungen unverändert durch die Nieren wieder ausgeschieden werden. Eine Beobachtung, die der herrschenden Vorstellung widersprach, nur gelöste Substanzen könnten durch die Darmschleimhaut ins Blut oder in den Urin gelangen. »Der ist doch der Puderquast in den Nachttopf gefallen« lautete der zynische Kommentar, als Hirsch ihre Forschungsergebnisse 1908 vor der Gesellschaft der Charité-Ärzte vortrug.

Rahel Hirsch ließ sich offenbar durch derartige Entgleisungen nicht entmutigen. Sie blieb an der von Friedrich Kraus geleiteten Charité-Klinik, die über modernste Einrichtungen verfügte. Als Forscherin führte sie dort weiterhin Experimente durch und betreute die Patienten der Poliklinik. Erst 1919 schied Rahel Hirsch aus der Charité aus, um am Kurfürstendamm eine erfolgreiche Privatpraxis zu betreiben.

Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten setzte diesem Erfolg jedoch ein Ende. Nach 1933 wurde sie als Jüdin ausgegrenzt, verfolgt und durfte ihren Beruf als Ärztin nur noch eingeschränkt ausüben. 1938 emigrierte Rahel Hirsch – mittlerweile 68 Jahre alt – nach England. Die Exilsituation belastete sie schwer. Nach längerem Aufenthalt in einer Nervenheilanstalt starb sie 1953 in der Nähe von London.

> Zu den Abbildungen


« zurück zum Lageplan   « zurück zur Übersicht